Gewalt, Wahrnehmung und Kampf

Es gibt einen riesengroßen Unterschied zwischen dem, was Gewalt tatsächlich ist und dem, was davon wahrgenommen wird.

Gewalt wird oftmals nicht als solche erkannt.

Das mag auch daran liegen, daß es viele unterschiedliche, z.T. sehr subtile Formen von Gewalt gibt. Die Wahrnehmungslücke der meisten Menschen hat aber in erster Linie andere, sehr ernste Ursachen.

Nur wenige Menschen befassen sich emotionslos und vorurteilsfrei mit dem Thema Gewalt.
Auch mir gelingt es nur selten, wirklich objektiv und ohne starke Emotionen über Gewalt zu reden oder zu schreiben.

Doch man kann sich mit Gewalt, ihren Erscheinungsformen und ihren Folgen erst dann wirklich intensiv und vor allem konstruktiv auseinandersetzen, wenn man in der Lage ist, die eigenen Vorurteile und vorgefaßten Meinungen, die eigenen Ängste und auch Erwartungen weitgehend auszuklammern.
Ganz wird das nie gelingen.
Wir sind schließlich nur Menschen, und wir haben und wir machen Fehler.
Trotzdem sollte man sich darum bemühen, sich nicht von den eigenen Vorurteilen und Erwartungen einengen zu lassen …

Gewalt ist ein sehr wichtiges Thema für alle, die sich mit dem Gedanken des Kämpfens vertraut machen wollen … sollte man meinen.

Weit gefehlt!

Wegsehen als Konsens

Es scheint ein gesellschaftlicher Konsens zu sein, über Gewalt möglichst nicht zu sprechen (die hysterische Berichterstattung in den Medien einmal ausgenommen).

Gewalt, so lernen wir schon im frühen Kindesalter, ist eine völlig inakzeptable Art und Weise, Probleme lösen oder eigene Interessen durchsetzen zu wollen.

Das aber stimmt nicht, wie wir (ebenfalls von Kindesbeinen an) erfahren müssen. Denn die uns gepredigte Gewaltlosigkeit wurde schon in der Grundschule durchgesetzt – und zwar mit Gewalt.

So wuchsen wir also damals in einer extrem verlogenen Gesellschaft auf, die Gewaltlosigkeit predigte und gleichzeitig der beste Nährboden für ebendiese Gewalt war. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Zudem wird eine neuerdings in den Medien zu beobachtende, geradezu voyeuristische Berichterstattung in Bezug auf Gewaltdelikte nicht dazu beitragen, Gewalt einzudämmen.

„Man kann doch über alles reden …“

Es sei dahingestellt, welche Faktoren gewaltauslösend sind – es genügt, zu begreifen, dass ein großer Teil unserer Mitmenschen durchaus bereit ist, Gewalt als Mittel zur Lösung von Konflikten zu akzeptieren und folglich auch anzuwenden.

Man sollte meinen, dass es keiner besonderen kognitiven Fähigkeiten bedarf, um dieser Erkenntnis teilhaftig zu werden …

Ich respektiere jeden, der sein Leben friedlich vor sich hinleben möchte (und nur Funktionsgestörte, denen ein paar Teile im Gehirn fehlen, möchten das nicht). Doch es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn dem bösen Nachbarn die Gewalt gefällt.

Natürlich verlangt die Gesellschaft von uns, dass wir keine Gewalt anwenden. Wir sollen „nette Menschen“ sein. Wir sollen uns nach den gesellschaftlichen Konventionen richten. Eine dieser gesellschaftlichen Konventionen besagt, dass man „über alles reden“ könne und müsse. Auseinandersetzungen seien verbal zu führen … oder eben auf dem „Rechtsweg“.

Schöne Idee.

Nur… Konventionen sind etwas für „nette“ Menschen.

Selbstverteidigung aber, wenn man sie ernsthaft praktiziert, ist eben darum nichts für nette Leute.

Nette Leute nämlich sind jene, die sich nicht wirklich zur Wehr setzen können und wollen, wenn es hässlich wird, weil sie brav darauf warten, dass sie von der Polizei beschützt werden. Wie wirkungsvoll dieser Polizeischutz ist, mag jeder selbst beurteilen. Erstaunlich finde ich nur, dass äußerst selten Polizisten in der Nähe sind, wenn es irgendwo zu Gewalttätigkeiten kommt. Ob es da nicht besser wäre, auf sich selbst aufpassen zu können…?

Ich finde es zudem sehr selbstgerecht, realitätsfremd und sehr gefährlich, wenn man allen Ernstes glaubt, den gewaltbereiten menschlichen Abschaum beispielsweise durch einen Appell ans Schamgefühl zivilisieren zu können.

Auch der Glaube an den Staat und die Polizei als dessen Ordnungsmacht ist von geradezu rührender Naivität.
Die Polizei und die Staatsanwaltschaft sind, wie wir alle wissen, eingeengt von Gesetzen, politischen Entscheidungen, der öffentlichen Meinung und vor allem leider allzu oft beengt und bedrängt von allgemeiner, gesellschaftlicher Dummheit …

In einer Zeit, in der „aus Kostengründen“ massiv Beamtenstellen bei der Polizei abgebaut werden, sollte man vielleicht nicht allzusehr darauf vertrauen, durch die Polizei wirksam vor Gewalt „beschützt“ zu werden.

Und wie geht man nun mit Gewalt um?

Es ist müßig, allzu viele Fragen nach den Ursachen der alltäglichen Gewalt zu stellen. Es geht vielmehr in erster Linie darum, wie man sich dieser Gewalt wirksam erwehren kann.

Da gibt es nun viele, viele kluge (und weniger kluge) Ratschläge von ebenso vielen Leuten, die zumeist eines gemeinsam haben – diese Leute waren noch nie in ihrem Leben in einer wirklich gefährlichen Situation. Diese Leute haben noch nie in ihrem Leben wirklich um eben dieses kämpfen müssen. Wie kann man da erwarten, dass sie praktikable Ratschläge für den Umgang mit echter Gewalt anzubieten haben? Sie reden über Dinge, von denen sie nichts, aber auch gar nichts verstehen.

Schafe, die sich für Wölfe halten … (Nicht aufregen – Schafe und Wölfe sind hier als Allegorie zu verstehen).

Nun werden ganz gewiss etliche dieser Schafe sofort empört aufschreien und mir zu beweisen versuchen, dass sie sehr wohl ernsthaft in der Lage wären … blablabla usw.

Unsinn!

Wer jemals wirklich echte Gefahr, echte Gewalt erlebt (und überlebt!) hat, der tönt nicht derartig hohl und überheblich herum, wie es diese Leute so gern und so selbstgerecht tun. Wer sich der Realität stellt, der weiß, dass man sehr schnell (zufällig und unbeabsichtigt) in wirklich gefährliche Situationen kommen kann, wo es nicht einmal mehr möglich ist, wegzulaufen.

Was dann?

Vorbereitet sein!

Es sei wiederholt – es kann jeden treffen. Wäre es da nicht besser, so gut wie möglich vorbereitet zu sein? Leider verbauen viele Leute sich diese Möglichkeit selbst, indem sie sagen: „Ich weigere mich, mein Leben von Gewalt durcheinanderbringen zu lassen! Ich weigere mich, so paranoid zu werden, dass ich hinter jeder Hausecke einen Angreifer vermute!“

Das heißt im Klartext: „Ich weigere mich, zu akzeptieren, dass es Gewalt gibt und dass sie mich treffen kann. Ich weigere mich, meine Aufmerksamkeit auf Möglichkeiten zu richten, die mir aus solchen Situationen heraushelfen könnten! Lieber vertraue ich darauf, dass mir schon nichts passieren wird!“

Die meisten Menschen wollen unbedingt glauben, dass die Welt im Grunde ein Ort des Guten ist. Das Böse, so glauben sie, beruhe einzig und allein auf (korrigierbarer) Verirrung. Dieser Glaube ist verständlich, denn das Leben wäre sonst für viele nur schwer zu ertragen. Das ist der Grund dafür, dass solche Gutmenschen von Gewalt immer völlig überrascht werden. Doch selbst, wenn sich solche Menschen mit Gewalt konfrontiert sehen, beharren sie oftmals stur (und hilflos) auf ihrem Standpunkt.

Im Gegensatz dazu denke ich allerdings, dass es nicht schaden kann, eine Art von Gefahren-Radar zu entwickeln. Wer das für paranoid hält – nun gut. Aber wie will man denn gefährlichen Situationen aus dem Wege gehen, wenn man sie gar nicht erkennt?

Dieses Erkennen muss zudem im Vorfeld einer gefährlichen Situation stattfinden! Steckt man erst mal in einer gewalttätigen Situation drin, ist sowieso alles zu spät. Dann kommt es nur noch darauf an, wie gut man mit den Fäusten, den Ellbogen, Knien und evtl. mit dem Messer ist. (Regt euch nicht auf – wenn es um das eigene Leben und die eigene Gesundheit geht, ist alles erlaubt.)

Wer sich weigert, das zu akzeptieren, der ist für die großen, bösen Wölfe dieser Welt nichts anderes als ein Mittagessen auf zwei Beinen. Da nützt es auch nichts, wenn man die Existenz großer, böser Wölfe einfach leugnet. Es hilft auch nicht, wenn man brutalste Gewalt nur an exotischen Orten wie Manila oder Bogota vermutet.

Gewalt ist hier, mitten unter uns, jeden Tag präsent!

Von Wölfen und Schafen: Wem nützt es, Gewalt zu leugnen?

Nun geschieht jedoch Tag für Tag etwas Merkwürdiges … Die meisten Menschen weigern sich ganz einfach, diese sehr präsente, alltäglich stattfindende Gewalt überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, klammern sie sich an den ihnen eingetrichterten gesellschaftlichen Konsens, dass Gewalt verpönt und verboten sei. Die Konditionierung, die sie als Kinder erlebten, wirkt offenbar bei vielen Menschen sehr lange und sehr stark nach.

Sich dieser Konditionierung hinzugeben bedeutet aber, die Realität (bewusst oder unbewusst) auszublenden. Zudem haben viele Menschen hierzulande einfach das Glück, nie in ihrem Leben mit echter Gewalt konfrontiert zu werden. Das aber ist purer Zufall.

Es gibt weder eine Garantie noch einen Anspruch darauf, von Gewalt verschont zu bleiben. Niemand ist unberührbar!

Die meisten Menschen aber blenden diese Erkenntnis, wie schon gesagt, einfach aus ihrem Leben aus. Das bedeutet, dass sie sich konsequent weigern, sich zumindest gedanklich mit diesem Thema zu befassen. Mehr noch – sie bemühen sich sogar, anderen Menschen möglichst jede Diskussion über dieses Thema zu verbieten …

Wenn sie selbst dann doch eines Tages plötzlich Nase an Nase mit dem großen, bösen Wolf stehen, fallen sie aus allen Wolken, wieso gerade ihnen so etwas widerfahren konnte (falls sie es überleben). Etliche dieser (man möge mir den Ausdruck verzeihen) Schafe blöken glücklich und selbstzufrieden auch dann noch vor sich hin, wenn der große, böse Wolf (GBW) ihnen schon dicht auf den Fersen ist.

Warum auch nicht, schließlich haben sie ja gelernt, dass es den GBW gar nicht gibt. Sie haben ihren angeborenen Schutzmechanismus abgelegt im Rahmen dessen, was man als Sozialisation bezeichnet. Sie haben auch nie gelernt, wie man erkennen kann, ob man sich vielleicht gerade eben in das Gebiet des GBW begibt…

Glücklich und selbstzufrieden blöken sie: „Ich lehne Gewalt prinzipiell ab! Määähhh!“

Ein bedenklicher Standpunkt, besonders dann, wenn er von jenen vorgebracht wird, der ihrer Natur nach Beutetiere sind, auch wenn sie das nicht wahrhaben wollen.

Sie sagen: „Ich verabscheue Gewalt! Ich lehne Gewalt grundsätzlich ab!“

Diese angeblich erwachsenen und mündigen Bürger meinen damit: „Ich bin nicht bereit, mich gedanklich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Ich verlange, dass Gewalt einen großen Bogen um mich macht!“ Es fehlt nur noch, dass sie trotzig mit den Füßen stampfen. Das wird den großen bösen Wolf wahrscheinlich sehr beeindrucken …

Leider machen viele Schafe einen ganz entscheidenden Denkfehler.

Zum einen halten sie sich selbst nicht für Schafe (was nicht für ihren Realitätssinn spricht), zum anderen ist unter ihnen folgende Haltung weitverbreitet: „Mir ist so etwas ja noch nie passiert, also gibt es das auch nicht!“ Aus diesem Gedanken leiten sie den nächsten ab: „Da es so etwas nicht gibt, kann mir auch in Zukunft nichts passieren!“. Schließlich haben sie noch ein ganz besonders „gutes“ Argument auf Lager, mit dem sie „paranoide Schwarzseher“ wie mich endgültig zu widerlegen glauben: „Warum sollte mir denn irgendjemand etwas tun? Ich tue doch auch niemandem etwas!“

Das bedeutet, in verständliche Sprache übersetzt: „Ich bin harmlos, also haben alle anderen auch harmlos zu sein.“

Wer seine eigene Harmlosigkeit derart lautstark hinausposaunt, kann sich auch gleich ein Schild umhängen mit der Aufschrift „Opfer“. Es gibt dort draußen so viele völlig durchgeknallte Irre, die keinen speziellen Grund brauchen, um auf ihre Mitmenschen loszugehen, dass einem Angst und Bange werden kann. Es gibt dort draußen alle Arten von menschlichem Abfall, der zu etwas anderem als Gewalt gar nicht mehr fähig ist! Es gibt so viele Beispiele von plötzlich ausbrechender, scheinbar grundloser, maßlos eskalierender Gewalt, daß einem schlecht werden könnte.

Will das jemand ernsthaft leugnen?

Von Wölfen und Schafen: Unsichtbare Grenzen

Natürlich hat Gewalt immer ganz konkrete Ursachen. Doch diese sind in den seltensten Fällen klar erkennbar. Ebenso ist für Außenstehende oftmals nicht nachvollziehbar, was der Auslöser des gewalttätigen Verhaltens war.

Das bedeutet, dass sogenannte „Normalbürger“ es nicht erkennen können, wenn sie bestimmte Grenzen überschreiten, hinter denen Gewalt und Wahnsinn lauern. In ihrem gewohnten Umfeld, unter Personen, welche das gleiche Wertesystem besitzen, mag es an dieser Stelle gar keine Grenze geben, die man überschreiten kann.

Andere Menschen aber haben andere Wertesysteme und andere Grenzen. Manche fühlen sich schon ernsthaft herausgefordert, wenn man sie länger als zwei Sekunden anstarrt.

Es ist nicht sehr hilfreich, jetzt bockig darauf zu bestehen, dass man ja als freier Bürger hinsehen kann, wo man will. Es ist auch nicht sehr sinnvoll, sich jetzt darüber zu mokieren, dass der Angestarrte mächtig einen an der Klatsche haben muss, um sich von einer solchen Kleinigkeit derartig provoziert zu fühlen, dass er mit blanker Gewalt reagiert. Die ganze Aufregung darüber hilft nicht wirklich weiter. Die scheinbare Kleinigkeit wird zum Auslöser brutalster Gewalt, und der Normalbürger fragt sich verstört, wie das denn sein kann.

Hier nun finden wir den eklatantesten Denkfehler, der überhaupt möglich ist.

Der Normalbürger, der Gewalt so lautstark, besserwisserisch und selbstgerecht ablehnt und sich darüber moralisch entrüstet, überträgt fälschlicherweise sein Wertesystem auf jede ihm begegnende Situation. Unzulässigerweise geht er davon aus, dass zivilisierte Menschen allüberall nach den gleichen Richtlinien zu denken, zu handeln und daher Gewalt grundsätzlich abzulehnen haben.

Das aber stimmt einfach nicht.

Folglich wird er, oft ohne es zu bemerken, außerhalb seines vertrauten Umfeldes immer wieder die eine oder andere Grenze verletzen. Ignoriert er dabei die mehr oder minder deutlichen Warnsignale, braucht er sich über einen Ausbruch von Gewalt eigentlich nicht zu wundern.

Wer sich aus seinem engsten, vertrautesten Umfeld herausbewegt, der tut gut daran, zu berücksichtigen, dass es kein herrenloses Territorium gibt. Irgendjemand erhebt garantiert Anspruch darauf, dass dies sein Gebiet ist. Folglich gelten dort seine Regeln. Das ist die Realität, auch wenn manche das nicht akzeptieren können.

Wer den Anspruch auf ein bestimmtes Gebiet (das umfasst nicht nur reale Territorien, sondern auch gedankliche Konstrukte) erhebt, der wird auch in der Lage und Willens sein, dieses Gebiet, diese Grenzen mit Gewalt zu behaupten. Respektiert man diese Grenzen nicht und macht sich unklugerweise vielleicht auch noch darüber lustig, wird man die Folgen zu tragen haben. Im schlimmsten Fall bekommt man ein sehr großes Stück aus dem eigenen, selbstgerechten, überheblichen Arsch herausgebissen.

Es nützt dann auch nichts, sich im Falle eines Falles auf die obenstehend erwähnten gesellschaftlichen Konventionen zu berufen. Wie Animal Mac Young so treffend sagte, sind diese nichts als heiße Luft.

Von Wölfen und Schafen: Gesetze, Knast und Polizei

Noch einmal – zwischen dem großen, bösen Wolf (GBW) und dir befinden sich nur imaginäre Schranken, die absolut nichts wert sind!

Was nützt es dem Opfer, wenn der Täter hinterher (falls er überhaupt gefasst wird) mit einer mehr oder minder milden Strafe davonkommt? Knast hat für viele keinerlei abschreckende Wirkung, soviel ist sicher.
Zudem hält der Gedanke an Strafe niemanden davon ab, dich zu einem wimmernden, blutigen Klumpen zu verarbeiten.

Es ist ferner unbedingt notwendig, zu berücksichtigen, dass den meisten Gewalttätern die Folgen ihres Tuns völlig gleichgültig sind. Viele von ihnen sind schon ganz unten und leben in der gesellschaftlichen Mülltonne. Was haben sie noch zu verlieren? Nichts!

Zudem muss man leider konstatieren, dass ein Großteil dieser Gewalttäter tatsächlich nachweislich unfähig ist, aus Erfahrung zu lernen (siehe Rückfallquote). Was nutzt da die Drohung mit einer Gefängnisstrafe?

Prävention!

Das wichtigste ist also Prävention! Du allein bist dafür verantwortlich, entsprechend vorbereitet zu sein, wenn irgendwelche Wölfe testen wollen, ob du ein Schaf bist.

Das jedoch bedeutet, dass Selbstverteidigung wesentlich mehr abdecken muss als nur die Frage, wie man einen ordentlichen Kniestoß hinbekommt. Welcher Selbstverteidigungslehrer aber unterrichtet seine Schüler so, dass all die oben erwähnten Dinge berücksichtigt werden?

Die meisten der angebotenen Kurse sind zum Weinen schlecht.

Nicht nur, dass die dort gezeigten Abwehr-Techniken viel zu kompliziert sind, sie sind selbst von sehr geübten Schwarzgurten nicht effektiv anwendbar. Warum sonst gehen so viele Schwarzgurte in einem echten Kampf gegen einen echten, erfahrenen Straßenschläger nach wenigen Sekunden zu Boden? Es wäre mir neu, zu hören, dass in den üblichen Selbstverteidigungs-Kursen auch gezielt eine funktionierende Schulung der Gefahrenwahrnehmung betrieben wird.

Es wäre mir ebenfalls neu, zu hören, dass in derlei Kursen Klartext darüber geredet wird, dass es eben leider jede Menge menschlichen Abfall gibt, der größte Befriedigung daraus zieht, Gewalt auszuüben und anderen so richtig wehzutun.

Gegen solche Freaks (und davon gibt es viele!) helfen die üblichen: „Und jetzt machen wir diesen echt gefährlichen Hebel“ – Kurse ungefähr so viel wie eine Stecknadel gegen ein wütend angreifendes Panzernashorn. Glaubt jemand, daß man ein solches Nashorn mit einem Vorwärtsfußtritt und ein bis zwei geraden Fauststößen aufhalten kann? Ein echter Straßenkämpfer ist etwa so gefährlich wie dieses Nashorn!

Ich weiß, so etwas möchte eigentlich niemand hören. Es ist die Realität, die viele derartig erschreckt, dass sie den Kopf in den Sand stecken und ihre heile Welt zu retten versuchen, indem sie mich einen Lügner heißen. Was aber nützt es, trotzig mit dem Fuß zu stampfen und sauer zu sein, weil die Welt nicht so ist, wie man sie gern hätte? Noch einmal – nur, weil etwas bisher nicht passiert ist, bedeutet das nicht, dass es niemals passieren wird!

Gewiss ist es eine gute Idee, nicht dorthin zu gehen, wo man mit Gewalt rechnen muss. Das aber heißt nicht, dass die Gewalt nicht eines Tages zu dir kommen wird! Glaubst du wirklich, sie mit einem Schild „Betreten verboten!“ daran hindern zu können?

Außerdem begibt man sich manchmal gezwungenermaßen an Orte, die echt gefährlich sind. Von daher ist es mir völlig unverständlich, wie man es versäumen kann, sich auf Gewalt vorzubereiten, so gut es eben geht.

Manche glauben nun, daß sie genau das tun, indem sie den Kampfsport XY ausüben. Tja, wie der Name schon sagt, es handelt sich dabei um einen Sport. Dieser wird nach Regeln (und seien sie noch so rudimentär) ausgeübt. Überraschung, Überraschung … auf der Straße gelten diese Regeln nicht! Man sollte meinen, das sei allgemein bekannt, doch das Gegenteil ist der Fall. Dabei dürfte es doch niemanden wundern, dass der große böse Wolf nur nach seinen eigenen Regeln spielt …

Die treuherzigen Versicherungen diverser Kampfsportler, sie seien bestens gerüstet für den Fall der Fälle, werden dem Wolf höchstens ein belustigtes Schnauben entlocken und ihn in Verzückung darüber versetzen, dass es ihm so leicht gemacht wird …

Um Missverständnissen vorzubeugen – Rangeleien zwischen frustrierten Normalbürgern betrachte ich nicht als echte Kämpfe, selbst wenn es dabei blutige Nasen geben sollte. Das sind lediglich harmlose Schubsereien zwischen Schafen. Das Gefahrenpotential dieser Art von Auseinandersetzungen ist so gering, dass man es mit der Lupe suchen muss. Wer solche Auseinandersetzungen mehrfach hinter sich gebracht hat, glaubt vielleicht, dass er etwas vom Kämpfen versteht … allein, er irrt.

In diesem Lichte muß man die Aussagen vieler selbsternannter Kampfkunstmeister sehen, die vollmundig verkünden, sie würden realistische Selbstverteidigung lehren. Der erste Wolf, der ihnen begegnet, wird sie ohne viel Federlesen fressen, zumindest aber gründlich durchkauen, dann ausspucken und auf den Resten herumtrampeln. Das durch nichts gerechtfertigte Selbstvertrauen dieser „Meister“ erleichtert ihm die Jagd beträchtlich.

Folglich solltest du es dem Wolf so schwer wie möglich machen. Große böse Wölfe suchen Opfer, keine Gegner. Wenn sie merken, dass du ihnen einen echten Kampf liefern wirst, werden sie es sich dreimal überlegen, ob sie dich angreifen. Dazu aber musst du wissen, was echter Kampf ist.

Echter Kampf heißt immer, dass es auf des Messers Schneide steht (das kannst du oft wörtlich nehmen). Echter Kampf heißt, dass jemand schwer verletzt werden wird. Echter Kampf heißt, dass du keinen Gedanken daran verschwendest, ob du den großen bösen Wolf besiegen kannst, sondern nur überlegst, wie du ihm so viel Schmerz und Schaden zufügst, dass es für ihn zu teuer wird, dich zu fressen. Echter Kampf heißt, dass du immer mit schweren Blessuren daraus hervorgehst.

Wer den echten Kampf kennengelernt hat, der wir ihm künftig soweit wie möglich aus dem Weg gehen wollen.
Das heißt, dass du die anpirschenden Wölfe schon von weitem wahrnehmen musst. Das heißt, dass du wissen musst, in wessen Territorium du dich bewegst und was dort für Regeln gelten. Das heißt, dass du so kämpfen können musst, dass es für den Wolf das Ende bedeuten kann, sich mit dir anzulegen.

Das heißt aber auch, dass du diese Fähigkeit nicht dauernd heraushängen lassen darfst, da sich böse, aber unerfahrene Wölfe sonst bemüßigt fühlen, zu testen, ob du wirklich so ein harter Brocken bist …

Nein, ich bin kein „Theoretiker“. Ich weiß, was Gewalt ist, wie sie aussieht, wie sie sich anfühlt. Ich habe in meinem Leben viel Gewalt erlebt. Sehr viel sogar. Ich weiß also, wovon ich rede.

Es geht mir nicht darum, zu Gewalt aufzurufen oder Gewalt und hemmungslos ausgelebte Aggressionen zu rechtfertigen.
(Ist es nicht traurig, daß ich das extra betonen muß, nur um ja nicht mißverstanden zu werden?)
Aber ich halte es für sinnvoll, sich mit Gewalt nicht nur oberflächlich auseinanderzusetzen. Und zu einer ernsthaften Auseinandersetzung mit diesem Thema gehört nun einmal die Frage, wie man mit Gewalt umgeht, wenn man selbst davon betroffen ist.
Ich halte es zudem nicht für unmoralisch, sich gegen Gewalt energisch zur Wehr zu setzen. Wenn es sein muß, mit Gewalt.

Gewalt ist ein Bestandteil dieser Welt, und es hat keinen Sinn, das zu leugnen. Selektive Wahrnehmung aber, welche Gewalt ausklammert, rettet dir nicht den Hintern, wenn es ernst wird. Also lerne, was immer dir nützt, um besagten Körperteil möglichst jederzeit blitzschnell in Sicherheit bringen zu können.

Es wird, wenn du ernsthaft daran interessiert bist, deinen Horizont beträchtlich erweitern.