„Bujutsu is for killing people“

„Bujutsu is for killing people“ U. Kenji

Dieser Ausspruch von Ushiro Kenji, der sowohl in Karate-, als auch in Aikidokreisen geachtet ist, sollte uns alle zum Nachdenken anregen, egal aus welcher Kampfkunst wir kommen.

All die Dinge, die wir üben, sind einmal dazu gedacht gewesen, Menschen zu töten oder zu verstümmeln. Sind wir bereit dazu, trainieren wir mit diesem Hintergedanken? Kann ich jemandem, wenn es hart auf hart kommt, das Genick brechen oder die Finger, oder, oder, oder… ?

Der erste Schritt sollte sein sich zu fragen: „Was bin ich, wann, bereit zu tun?“

Man muss ehrlich zu sich selber sein, muss sich mit seinen Ängsten, seiner Wut, im Spiegel angucken können. Habe ich Angst vor Schmerzen? Angst vor den rechtlichen Konsequenzen? Will ich grundsätzlich niemanden verletzen? Wo sind meine Hemmungen? Was ist meine Grundhaltung gegenüber meinen Mitmenschen? Kann ich wütend sein, wenn ja, wann bin ich es und wie gehe ich damit um? Wenn nein, warum nicht?

Kampf, und die Fähigkeit zu kämpfen, hat in höchstem Maße mit den eigenen Emotionen und der eigenen emotionalen Verarbeitung zu tun. Was bewirkt Gewalt in einem? Wenn man sie sieht, über sie liest, sie ausübt? Welche Art von Gewalt übt man wann, wem gegenüber, warum, aus?

Ist Gewalt für einen etwas positives oder negatives? Warum?

Offiziell betreiben wir alle „Kampfkunst/-sport“ aber wer hat sich schon einmal mit den Konsequenzen dieses Wortes ernsthaft beschäftigt? Mal ehrlich, man geht ins Training (wie oft 2, 3, 4 mal die Woche?), will lernen Freunde zu schlagen, treten und werfen, Schläge anzunehmen, im Wettkampf erfolgreich zu sein, die Bewegungsqualität zu verbessern etc.

Man will seine Freunde treffen und mit ihnen quatschen, das „soziale Umfeld“ bedienen. Niemand will sie ERNSTHAFT im Training verletzen, genau wie auch den Gegner in einem Wettkampf (klar nimmt man das dort in Kauf, aber der Andere soll hinterher ja auch weiterleben/-arbeiten können. Diese Einstellung erwartet man ja auch vom Anderen einem selbst gegenüber, DAS verändert jedoch alles!!!).

Wir alle trainieren um Spaß zu haben, uns wohl zu fühlen, uns besser zu fühlen (und evtl. sogar um uns von anderen „abzuheben“). Wir hoffen uns durch das Erlernen einer KK/KS stärker zu fühlen, den Anderen gegenüber „überlegen“. Wir hoffen dadurch unsere Ängste überspielen zu können, die Stimme in unserem Kopf ruhig zu stellen, die immerzu sagt „Du bist schwach, hilflos, wertlos“. Wir kämpfen gegen die Wut in uns, die wegen der Stimme auftaucht. Gleichzeitig aber haben wir auch Angst davor im Training wieder das zu erfahren, was uns diese Stimme immerzu sagt: „Du bist schwach und hilflos“. Wir schaffen uns Regeln und äußere Umstände, die uns vor uns selber besser aussehen lassen. Wir „rollen“ miteinander und machen „freundschaftliches Randori/Sparring“. Wir reden uns ein, es sei völlig in Ordnung wenn der Andere uns mit einem Hebel, einem Wurf, einem Schlag erwischt.

Sicher, es muss Übungsformen geben, die einem erlauben, Bewegungen gegen wachsenden Widerstand zu üben, es muss mit „lachen und spielen“ geübt werden. Es muss Chess-drills, One-Step-Sparring, Kihon-ippon, Slow-rolling, ansteigendes Jyu-Kumite etc. geben, ABER das hat nichts, aber auch gar nichts mit KÄMPFEN zu tun! Solange ich sicher sein kann, dass ich am Ende des Kampfes noch lebe und nicht schwerstverletzt bin, ist es kein Kämpfen. Kämpfen bedeutet einer bleibt liegen. Es gibt keinen zweiten Platz.

Wir wollen dieses Gefühl der Schwäche und Hilflosigkeit in uns besiegen, denn das macht uns Angst. Wir wollen uns nicht mehr klein und wertlos fühlen und wenn, dann nur nach Regeln, so dass man sich vor sich selber entschuldigen kann (Es war nur ein Randori, ich bin „zweiter Sieger“ in einem Wettkampf).

Kämpfen lernen heißt sich zunächst dieser Stimme in uns zu stellen. Sich eingestehen, dass man nie wieder schwach und hilflos sein will. Nicht kaputtgehen heißt dieser Stimme in uns auf den Grund gehen und sich das Gefühl der Schwäche und Hilflosigkeit anzuschauen, warum es da ist, was es auslöst und wie ich es verarbeiten kann.

Kämpfen lernen heißt Leute mit ihrer Schwäche und Hilflosigkeit zu konfrontieren, ohne Ausreden, ohne Entschuldigungen. Konfrontieren durch Angst, Schmerz, Erschöpfung und Überforderung. Durch Hilflosigkeit. Damit man das lernt braucht man Leute, die Andere leiden lassen können. Die bereit sind, Gewalt (psychisch und physisch) auszuüben. Die kein Mitleid haben, im Gegenteil die es als Ziel haben den anderen „fertigzumachen“, obwohl er ihr Freund ist. Um daran als „Prüfer“ nicht zu zerbrechen, muss man erlebt haben, welche Freiheit einem die ANNAHME der eigenen Angst und Schwäche gibt und man muss sich vergegenwärtigen wie man selber das erreicht hat!

Der Weg, den man gehen muss, ist entweder der brutal direkte, quasi „friss oder stirb“ oder aber man desensibilisiert die Leute langsam aber sicher und gewöhnt sie daran Gewalt auszuüben und Gewalt in Abstufungen zu erleben. Wer schon viel Gewalt erfahren hat, der wird den langsamen Weg jedoch als „uneffektiv/überflüssig“ betrachten. Wer einmal an diesem dunklen Ort war, der findet immer wieder den Weg dahin, wer noch nie da war, der fürchtet sich vor der bloßen Vorstellung dieses Ortes (auch wenn er eine morbide Faszination ausüben mag).

Wir hoffen uns durch das Erlernen einer KK/KS stärker zu fühlen, den Anderen Gegenüber „überlegen“. Wir hoffen dadurch unsere Ängste überspielen zu können, die Stimme in unserem Kopf ruhig zu stellen, die immerzu sagt „Du bist schwach, hilflos, wertlos“.

Frei werden bedeutet dieser Stimme zuzuhören, auf sie zuzugehen, sie in den Arm zu nehmen, sie sich anzugucken und sie anzunehmen wie sie ist.

Wir sind wertvoll, so wie wir sind. Das müssen wir diese Stimme fühlen lassen.